Zur Arbeit von Eric Kressnig

In Eric Kressnigs Arbeiten ist alles sichtbar, alles evident. Eric Kressnigs Arbeitsverfahren sind kalkulierte Konstruktionen, die offen zu Tage liegen, nichts verstecken, sondern immer zeigen. Es ist letztlich alles eine Frage der Kohärenz, der Logik. Die Motive ergeben sich aus der Situation und die Formen stecken in der Situation. Es geht um Rhythmus und Komposition: der jeweils nächste Takt muss logisch und überraschend zugleich sein.

Meistens versuchen Einleitungen schon alles zu sagen und vorwegzunehmen. Sie stimmen, sind komplett und lassen doch aus. Es lohnt sich einen Schritt zurück zu treten und die Aufmerksamkeit einigen, für die Arbeit von Eric Kressnig wesentlichen Motiven und Aspekten zu widmen, die vielleicht in der Summe das einleitend Gesagte untermauern, auf alle Fälle aber zuallererst – gleich ob fragmentarisch oder nicht – eine Vertiefung und Erweiterung darstellen.

Ein zentraler Aspekt von Eric Kressnigs Arbeit ist das Verhältnis von Objekt, Skulptur und Malerei. Dieses ist bestimmt von der Herstellung einer Relation. Seine Arbeiten sind nicht reines Bild: ihre Konstruktion, ihre Einbindung des gesamten Bildträgers (Ränder und Seiten, Rückseiten) und die bewusste In-Beziehung-Setzung mit dem Umraum, letztlich dem Kontext, suggerieren Räumlichkeit und Objekthaftigkeit, die installativen Charakter besitzen und im besten Sinn an die Zeit des Minimal Art eines Donald Judd erinnern, ohne diese zu imitieren.

Eric Kressnig schafft es alle drei genannten Medien in einander zu verweben. Im Sinne des Skulpturbegriffs legt er Ebenen und Schichten frei, als Plastiker formt er Volumen, bringt diese in Form von Farbe auf einen Träger auf und in der Verbindung der Medien zueinander entstehen letztlich nichts anderes als installative Objekte. Dabei beachtet und integriert der Künstler die Strukturen des jeweiligen Mediums in seine künstlerische Produktion, mehr noch, macht er sie doch gleich auch zu bildkonstituierenden Elementen der Arbeit selbst. Allerdings weisen diese einen fundamentalen Unterschied zu den historischen Strategien der Minimal Art auf, in denen die Homogenität des Objektes ein zentrales Moment in der Konstitution der Arbeit darstellt. Das Motiv der Verschiebung und der minimalen Abweichung, die einen, wenn auch aus dem System heraus entstandenen, Bruch darstellt. Fast könnte man meinen, es handelt sich um ein Spiel, welches der Künstler mit dem betrachtenden Vis à vis betreibt. Spiel impliziert auch immer die Lust und Freude an etwas und dieses Gefühl prägt auch Eric Kressnigs Arbeiten. Die Strenge des Rasters, die Genauigkeit der Ausführung, die Logik eines Systems ist dazu da, um letztlich gebrochen zu werden. Natürlich etabliert der Künstler damit wiederum ein bzw. sein eigenes künstlerisches System, dieses folgt einer bestimmten Logik, und doch ist es kein Dogma und kein –Ismus mehr. Oder vielmehr, wenn es denn doch noch ein –Ismus ist, dann ein gebrochener, einer der sich tradierte Strategien der Kunstproduktion aneignet und diese für seine Bedürfnisse adaptiert.

Unwillkürlich fällt einem dazu Friedrich Kiesler mit seiner Theorie des Correalismus ein, welche er als ein allumfassendes Gestaltungsprinzip postulierte. Kiesler macht darin die Wahl der Materialien (Holz, Glas, Metall) von ihrer psychofunktionalen Entsprechung abhängig und konstruiert die Form des Gegenstandes nach seinem Zweck und Nutzen. Noch stärker geht es ihm aber, und da trifft sich Erich Kressnigs Ansatz mit dem von Kiesler, um das kontinuierliche Ineinandergreifen unterschiedlicher Materialitäten und Wirkungen dieser auf ihr Umfeld. Es geht natürlich um nichts anderes, als um die Etablierung einer eigenen Systematik, die aber – im Unterschied zur Dogmatik des Internationalen Stils mit der Kiesler haderte – die Flexibilität der Anpassung und Variabilität bezogen auf die jeweilige Situation erlaubt und sogar zum Teil dieser macht. Genau dieser Aspekt ist der Schlüssel zum Verständnis der Arbeitsmethodik und somit der Arbeit Eric Kressnigs. Nicht die Etablierung einer Systematik ist das Ziel, sondern die Infragestellung von Systemen und die ständige Adaption und Abänderung dieser.

Ein wesentliches Werkzeug dafür, so widersprüchlich es auch klingt, ist dabei der Begriff der Konstruktion. Konstruktion verstanden als eine Methode des In-Beziehung-Setzens. Dies geschieht auf mehreren Ebenen. Einerseits geht es dem Künstler sehr stark um die physische Verbindung der Objektelemente zueinander. Auf welche Art und Weise lassen sich unterschiedliche Materialien (Holz, Metall, Acryl) so verbinden, dass auch ihren spezifischen Materialeigenschaften Rechnung getragen wird und trotzdem ein gemeinsames Ganzes entstehen kann. In vielen Fällen ist schließlich die Wahl der Verbindung auch formbestimmend.

In LICHTEN, einer installativen Arbeit, die der Künstler für den modernistischen Pavillon des kroatischen Bildhauers und Architekten Ivan Meštrović in Zagreb entwickelt hat – es handelt sich dabei um einen Rundbau – wird die runde Öffnung im jeweiligen Holzkörper mit einem Messingring versehen. Dieser ist weder verschraubt noch verklebt, lediglich durch die Spannung des Materials verbinden sich diese beiden Elemente. Der Effekt ist ein nicht unwesentlicher für die Wirkung der Arbeit: so ist keine störende Schraube oder sonstige Hilfskonstruktion nötig, welche nur die geschlossene Oberfläche des Messingringes durchbrechen und dadurch die eigentliche Funktion des Ringes bzw. die Eigenschaft des Materials Messing, warmes Licht zu erzeugen und den Farbraum im Inneren des farblich gefassten Holzkörpers zu bestimmen, unterlaufen würde.

Ein weiteres Motiv, das sich mit dem Aspekt von Verbindung auseinandersetzt, ist der Farbwechsel von einem Holzmodul zum anderen. In einer ausgeklügelten Systematik aus Wiederholung und Variation – so sind die Ränder der Kiste in der Farbe der nächsten Innenfarbe der Kiste gestaltet – schafft der Künstler Übergänge von einem Objekt zum anderen. Die mehrteilige Installation ist in ihrer Struktur modular aufgebaut – jedes Objekt ist lose und kann auch unterschiedlich positioniert werden – und trotzdem gibt es durch die Farbübergänge ein ordnendes Prinzip.

Eric Kressnig nimmt in dieser Arbeit konkreten Bezug auf die vorhandene architektonische Struktur des Pavillons, lässt sich von dieser inspirieren, ohne sich ihr dabei aber andienen zu müssen. Vielmehr extrahiert der Künstler konstruktive Elemente aus der bestehenden Architektur, adaptiert und integriert sie in seine Arbeit. Es ist ein künstlerischer Aneignungsakt der dieser Geste innewohnt und er verfolgt das Ziel, daraus neues künstlerisches Vokabular zu entwickeln, welches sich eben nicht mehr nur an den konkreten Ort anlehnen muss.

So nimmt der Künstler in seiner Installation RANCH einen allgemeingültigen Konstruktionstypus in der Gestalt eines Weidezauns als zentrales Element in seine Installation auf. Auch hier geht es ihm nicht um diesen einen Zaun, vielmehr leiht sich der Künstler die Funktion. Das Abgrenzen, sich schützen als Form der Inklusion und Exklusion wird zum Ausstellungsmotiv. RANCH steht in einer Raumecke. Der Zaun verliert in diesem Kontext seine Funktion, steht als Verweis auf etwas im Raum und schützt höchstens vor sich selbst. Die der Betrachter_innen zugewandte Seite ist die reduziert gestaltete, während die Rückseite, verborgen, die im konventionellen Sinn gedachte, eigentliche Ausstellungsseite darstellt. Diese wird von einem Farbverlauf von Latte zu Latte strukturiert und mutiert so zum Bildträger ihrer selbst, führt ihre ursprüngliche Funktion ad absurdum bzw. geht den Weg von einem funktionalen über ein ent-funktionalisiertes hin zu einem um-funktionalisierten Objekt. Die Art der Konstruktion, die Verbindung der einzelnen Elemente zu- und miteinander, der Rhythmus der tragenden und lastenden Elemente spielt dabei eine ganz zentrale Rolle und sorgt für die Subtilität der Wirkung.

Die Arbeit zeigt auch noch ein weiteres Charakteristikum der Kunst Eric Kressnigs auf. Es handelt sich um die Wirkung des Objektes im Raum bzw. das Interesse am Übergang von Objekt in den Umraum.

Die Serie der Bildobjekte, beispielsweise LIKE PCTURES und NOT PRESENT, stellt eine auf den ersten Blick traditionelle Form der Leinwandmalerei dar. Alle klassischen Insignien dafür sind vorhanden: die Leinwand in purer, ungrundierter Form, die als Bildträger_in für die Malerei fungiert, die Farbe und das Motiv an sich. Beim zweiten Blick allerdings – und in der Bewegung an diesem vorbei erst recht – erschließt sich eine gänzlich andere Ebene der Wahrnehmung. Aus der statischen Malerei wird ein dynamisches Objekt, welches mit der Wand und der Umgebung zu verschmelzen scheint. Herkömmliche Begriffe von Malerei geraten dadurch wie selbstverständlich ins Schwanken. Die Ränder der Leinwand fallen im Verhältnis zu anderen um einiges erhabener und stärker aus, sie sind in das Bildgeschehen involviert, tragen Farbe und interagieren mit dem malerischen Motiv auf der Vorderseite. Durch die Inklusion der Ränder passiert eine Nivellierung der Bildhierarchie, die Ränder werden zum bildkonstituierenden Teil der gesamten Komposition. In weiterer Folge erzeugen und verstärken sie, im Zusammenspiel mit der Stärke der Leinwand, ihre Wirkung als Objekt. Durch die Nahtlosigkeit des Übergangs vom malerischen Objektrand zur Wand passiert auch eine Integration der Umgebung in die Arbeit selbst. Noch ein Effekt kommt in diesem Zusammenhang ins Spiel: durch die rechtwinkelige Brechung des Leinwandrandes ergibt sich eine Perspektivenverschiebung des gesamten Bildes und es entsteht so etwas wie Multiperspektivität. In der Bewegung wird dieses Phänomen deutlich merk- und spürbar. Eric Kressnigs Arbeit ist regelrecht ein Offert an die Betrachter_innen und eine Involvierung dieser, die durch ihre Bewegung vor dem Bildobjekt erst richtig wirksam wird.

 Eine Verbindung der Aspekte von Architekturinteresse und Betrachter_innen-Involvierung manifestiert sich am unmittelbarsten in den COLLAGEN des Künstlers. Architektonische Motive oder besser gesagt, der architektonische Raum und noch abstrahierter formuliert, der gestaltete Umraum im Verhältnis zur Betrachterin sind der Ausgangspunkt dieser Serie. Die einzelnen Blätter bilden manchmal eine Art subkutane Struktur, wie in der Arbeit LICHTEN oder treten als Motiv direkt an die Oberfläche, wie in der Arbeit RANCH. In manchen Fällen wird die Auseinandersetzung mit dem Umraum aber auch selbst zur künstlerischen Arbeit, rückt die Wahrnehmung dieses in den zu betrachtenden Bildmittelpunkt. So sind Eric Kressnigs Collagen fotografische Extrakte seiner Recherchearbeiten, die dem Verständnis eines Ortes oder einer Situation dienen und die der Künstler oftmals als Grundlage für die eigentliche künstlerische Arbeit verwendet. Sie geben Auskunft über seine Arbeitsmethode einerseits, genauso wie sie sich andererseits davon absetzen und beginnen sich selbst zu genügen. Sie sind in ihrer Erscheinung ein Resultat von analoger Collage und digitaler Bildbearbeitung. Der Künstler verwendet eine Bild in Bild Technik, die an manchen Stellen offen Preis gibt, was sie ist und tut, um sich an anderen Stellen versteckt und bewusst manipulativ einzuschreiben, um eine eigene Bildwahrheit herzustellen.

Schlussworte haben oftmals die Tendenz noch prägnanter sein zu wollen als Einleitungen.

Eric Kressnigs Arbeiten sind eigentlich wie Filme von Jacques Rivette, man kann sich den Bewegungen (der Bildmotive) nicht entziehen. Es ist eine Arbeit zwischen Kontrolle und Freiheit, zwischen Bestimmung und Imagination, zwischen Tradition und absoluter Gegenwärtigkeit.